Wir befinden uns momentan ja mitten in der "größten Katastrophe seit dem zweiten Weltkrieg", der Corona-Pandemie.
Dass ich das in Anführungszeichen setze, hat damit zu tun, dass wir momentan erleben, wie mit Zahlen und Statistiken massive Eingriffe in unseren Alltag erfolgen, begleitet von einer eigentlich nur noch hysterisch zu nennenden Berichterstattung.
Eines vorweg: Ich halte die meisten Maßnahmen zur Verlangsamung der Epidemie nicht für grundsätzlich falsch - aber ich frage mich, ob hier nicht das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird.
Das Bild in den Köpfen
Ein Leserbrief in der NW vom 17. April macht es deutlich: Wir haben ein - zumindest für Deutschland - völlig überzogenes Gefahrenbild in die Köpfe vieler Menschen projeziert. In dem Leserbrief geht es, kurz gesagt, darum, ob man in Harsewinkel nicht den Straßenverkauf an Eisdielen wieder erlauben könnte (in Gütersloh ist das übrigens der Fall). Der Leser schreibt dann
... Aber seit Wochen beherrscht uns das Corona-Virus und zwingt uns dazu, Abstand zu halten, Verzicht zu üben und liebe Verwandte und Bekannte nur noch per Telefon oder Video zu erreichen. Die Bundesregierung gibt den Takt vor und wir haben verstanden, dass die getroffenen Maßnahmen uns allen helfen können. Wir sehen täglich schreckliche Bilder über Intensivbehandlung in überfüllten Kliniken, sehen Leichensäcke, die täglich aus den Kliniken, Altenheimen oder Häusern weggetragen werden....
Moment - wovon redet der gute Mann da? Von Deutschland sicher nicht.
Corona ist sicher eine ansteckende Krankheit mit einem nicht genau bekannten Gefahrenpotential, aber bisher geben die Zahlen meiner Ansicht nach überhaupt keinen Grund zur Panik. Das mag in anderen Ländern anders sein und das hat sicher viele Gründe. Nicht umsonst ist Amerika, das "Land of the working poor", in seinen Ballungszentren momentan besonders betroffen.
Aber es spricht meines Erachtens nichts dagegen, dass hierzulande bei vernünftiger Hygiene auch ohne Ausgangsbeschränkungen keine katastrophalen Entwicklungen zu erwarten sind. Ich will das hier auch begründen. Genderfreaks mögen mir verzeihen, dass ich auf irgendwelche Sternchen verzichte.
Der Corona-Infizierte
Ich frage mich, wer hierzulande auf das Coronavirus getestet wird. Laut allen mir bekannten Berichten geht man davon aus, dass rund 80% der Infektionen mild verlaufen.
Waren Sie schon mal wegen einer Erkältung im Krankenhaus? Ich gehe damit nicht mal zum Arzt, solange das Fieber unter 40 Grad bleibt. Omas Hausmittelchen haben mir bisher immer geholfen, toi, toi, toi. Ich selbst habe mir über die Jahreswende bei meinem Enkel in Potsdam einen für meine Verhältnisse recht heftigen Virus abgeholt - mit Fieber und auch dem mehrtägigen Verlust von Geschmacks- und Geruchssinn. Ob das womöglich schon Corona war, weiß kein Mensch und es ist mir auch egal.
Wenn Sie denn aber zum Arzt gehen, werden Sie noch lange nicht auf Corona getestet - nur bei begründetem Verdacht (Kontakt mit Infizierten, Aufenthalt in "Risikogebieten").
Wenn man hier 1 und 1 zusammenzählt, kann mir kein Mensch weißmachen, dass die Dunkelziffer nicht bei mindestens 80% liegen muss - denn getestet wird letztlich doch nur der wirklich schwer Erkrankte oder der extreme Hypochonder.
Halten wir fest, dass wir die Zahl der Infizierten durchaus als mindestens 5-mal höher als die der positiv Getesteten ansetzen dürfen.
Der Corona-Tote
Kurz nach dem gefühlten Beginn der Epidemie - in Deutschland ja interessanterwesie der Aschermittwoch - wurde in der seriösen Presse noch des öfteren die Unterscheidung "mit Corona" oder "durch Corona" bei der Zahl der Verstorbenen angemahnt. Im Zuge der zunehmenden Verschärfung der Maßnahmen hat man darauf schnell verzichtet, würde das doch die ein oder andere Maßnahme als übertrieben erscheinen lassen und den Publicity-Effekt für die Entscheidungsträger stark schmälern. Außerdem ist das viel zu kompliziert für das gemeine Volk.
Ich gehe davon aus, dass in den aktuellen Zahlen der Todesfälle alle Verstorbenen enthalten sind, welche positiv auf CoVid19 getestet wurden. Das scheint auch so zu sein: Bayrischer Rundfunk - Faktenfuchs
Das aber bedeutet, dass eine nicht unerhebliche Zahl der Corona-Toten ohnehin in nächster Zeit gestorben wäre. Für die Betrachtung des Gefahrenpotentials einer viralen Erkrankung scheint mir das ein erheblicher Faktor zu sein.
Halten wir fest, dass ein erheblicher Teil der als Corona-Tote in den derzeit ubiquitären Statistiken geführten Personen nicht direkt an, sondern mit CoVid19 gestorben sein dürfte.
Dafür spricht auch, dass das RKI das Durchschnittsalter der an CoVid19 verstorbenen Personen mit 82 Jahren (3. April lt. Stern-Artikel), an anderer Stelle mit 80 Jahren (Merkur am 10.4.) angibt.
NACHTRAG 28.04.2020: Wir haben mittlerweile rund 5.900 "Corona-Tote", und ich fand in den letzten Tagen keine Quellen mehr über deren Durschnittsalter. Nun wurde in der Pressekonferenz des RKI das Durchschnittsalter mit 81 Jahren angegeben - was ziemlich exakt der momentan in Deutschland berechneten Lebenserwartung entspricht.
Die Lebenserwartung
Menschen werden geboren, und sie sterben nach einer gewissen Anzahl von Jahren. Letztlich berechnet wird die Lebenserwartung auf der Basis der Sterberate, also der Zahl der Sterbefälle bezogen auf eine bestimmte Gruppe.
Nimmt man als Gruppe das Land BRD, kommen wir laut Wikipedia auf eine Lebenserwartung von 80,7 Jahren (Frauen werden älter, Männer sterben früher).
Wenn wir davon ausgehen, dass eine Bevölkerung zahlenmäßig gleich bleibt, müssen also nach rund 80 Jahren alle Individuen gestorben sein. In einem Jahr sterben also rund 1/80tel der Bevölkerung "ganz normal" weg. Für eine Gruppe mit einer Million Mitgliedern heißt das:
- Todesfälle pro Jahr ungefähr: 1 Million / 80 = 12500
- Todesfälle am Tag (statistisch): 12500 / 365 = 34,25
Da die BRD rund 80 Millionen Einwohner hat, sterben also täglich ungefähr 80 * 34,25 = 2740 Personen im Zuge des normalen Verlaufs des menschlichen Lebenszyklus.
Es geht mir hier nicht um statistische Feinheiten - dafür fehlt mir das Wissen - aber die Grundeinsicht muss sein, dass in unserem Land täglich gar nicht so wenige Menschen unausweichlich sterben müssen - weil wir halt sterblich sind.
Das Fazit
Im Zusammenhang mit der "Flüchtlingskrise" gebrauchte Angela Merkel das Wort "Angst ist ein schlechter Ratgeber". Recht hat sie, und es sollte auch jetzt gelten.
Wenn das Durchschnittsalter der an einer Erkrankung verstorbenen Gruppe ungefähr der Lebenserwartung in unserem Land entspricht, ist Hysterie nicht angesagt. Die viel beschworenen Leichensäcke und Massengräber mag es punktuell geben - es wird spannend sein, zu sehen, warum das an einigen Hotspots wohl so geschieht - und es ist sicher richtig, nicht leichtfertig zu sein.
Aber wenn wir jeden Verstorbenen, der positiv auf CoVid19 getestet wird, als Corona-Toten bezeichnen, könnten wir auch jeden Suizid seit Mitte März (Beginn der Kontaktbeschränkungen) als Quarantäne-Toten bezeichnen. Nach der mir bekannten Statistik (siehe unten) sind das rund 25 Fälle pro Tag, somit ergäbe sich folgende Statistik:
- Verstorbene durch CoVid19, Stand 17.04.2020: 1.275 "Corona-Tote", Durchschnittsalter um die 80 Jahre
- Verstorbene durch Suizid seit 16.03.2020: 32 * 25 = 800 "Quarantäne-Tote", Durchschnittsalter um die 58 Jahre
- wobei ein eventueller tatsächlicher Anstieg durch die Kontaktbeschränkungen noch nicht mal berücksichtigt wäre.
Dass das Unfug ist, ist klar - das gilt dann aber meines Erachtens für beides.
Es wird Zeit, dass wir die Erkrankung CoVid19 als das begreifen, was sie ist: Eine ansteckendere Variante einer Viruserkrankung, deren Verlauf im Wesentlichen einer Influenza gleichkommt. Das ist schlimm genug, aber beileibe kein Grund zur Panik - oder gar zum "Altersbashing"...
Quellen:
Statistisches Bundesamt: Suizide in Deutschland
Wikipedia - Liste der Lebenserwartung nach Ländern
RKI: Abfrage der meldepflichtigen Infektionserkrankungen
RKI: Epidemiologisches Bulletin
RKI: Vorläufige Bewertung CoVid19
Merkur.de: Streit um die Todeszahlen des RKI
Stern: Corona und der Blick auf das Alter
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