Högis Cyberspace

Gerhard Höger-Hansens private Website

Ergänzend zu meinen Betrachtungen über die Frage, wem ich warum vertraue, möchte ich hier einige selbst erlebte Beispiele erzählen, die mein Vertrauen in das Gesundheitswesen und die dahinter stehenden ökonomischen Mechanismen stark geprägt bzw. erschüttert haben. In beiden Fällen handelt es sich um den Umgang mit alten Menschen, denn glücklicherweise bin ich selbst bis auf eine Haschimoto (Schilddrüsenunterfunktion) gesund - und damit kann man gut leben.

Meine Mutter

Meine Mutter ist zweimal gestorben. Klingt komisch, ist aber so. Hier der genaue Ablauf der Ereignisse, die sich im Sommer 2015 abgespielt haben. Die genauen Daten müsste ich recherchieren, sie sind aber nicht relevant.

Meine Mutter war zu dieser Zeit 91 Jahre alt, geistig grundsätzlich fit, aber eher phlegmatisch und antriebslos - nicht ungewöhnlich in diesem Alter, man hat da schon mal "keine rechte Lust mehr" auf Leben. Sie konnte aber gehen und hat sich durchaus wohl gefühlt in ihrem finalen Zuhause (einem Pflegeheim in ihrem Wohnort), wie ich es mal nennen möchte. Mein Schwestern haben sie sehr regelmäßig besucht (ich wohne 500km weit entfernt, da geht das nicht allzu häufig, wenn man Vollzeit arbeitet), aber bei jeder Gelegenheit waren wir auch dort. Außerdem hatte sie noch regelmäßigen Besuch von Freunden aus dem Ort.

Mittwoch

Anruf meiner Schwester: Mama läge im Sterben. Ich hatte gerade für meine Tochter in der Schweiz ein Auto (Familientauglicher Citroen CX) im Frankfurter Raum abgeholt und es in eine befreundete Werkstatt gebracht, wo ich danach den Motor zwecks Erneuerung der Kupplung ausbauen wollte.

Da man in unserer Familie die Angehörigen traditionell nicht zum Sterben abgibt, sondern begleitet, habe ich mich sofort auf den Weg gemacht und bin abends so gegen 21 Uhr in Hochdorf bei Stuttgart eingetroffen.

Meine Mutter zeigte tatsächlich alle Symptome des nahen Todes: Trübe Augen, kaum mehr Reaktion auf Ansprache, das ganze Programm.

Im Gespräch mit den Pflegekräften wurde klar, dass meine Mutter aufgrund ihrer Apathie ihre Standardmedikamente nicht mehr nehmen konnte, und es war erkennbar, dass sie Schmerzen hatte. Es wurde empfohlen, eine Schmerzmedikamentation mittels Morphinpflaster zu organisieren - gar nicht so einfach, denn aufgrund des BTM darf sowas nicht über Nacht geliefert werden.

Wir haben dann die Nachtwachen eingeteilt und ich bin erst mal zum Ausschlafen nach der langen Fahrt zu meiner Schwester gegangen.

Donnerstag

Tagsüber im Heim, Mutter nicht ansprechbar oder nur sehr bedingt. Bleiben an ihrer Seite.

Nachmittags trifft das Morphinpflaster ein und wird appliziert. Ich übernehme die Nachtschicht.

Nachts schläft die Mutter wie ein Stein und atmet ruhig. Soweit ich mich erinnere, war sie nachts auch mal kurz wach und bedingt ansprechbar (Toilette oder sowas).

Freitag

Meine Mutter schlägt morgens die Augen auf und erkennt mich sofort. Sie ist ansprechbar und wirkt gar nicht mehr so, als ob sie gleich sterben wolle.

Verbringen den Tag bei ihr und staunen über die überraschende Besserung, ist ja erst mal sehr erfreulich.

Abends kommt meine Frau aus Gütersloh angereist (sie hatte bis heute früh Schule), betritt den Raum und wird von meiner Mutter mit den Worten "Des isch aber schee, dass Du au kommsch! Isch net Dei Vadder au so krank?" begrüßt - wir fallen aus allen Wolken, und zwar weil meine Mutter seit Jahren nichts mehr über meinen Schwiegervater geäußert hatte (meine Mutter war schon ein wenig egoistisch veranlagt und man hat sich da keine großen Gedanken drüber gemacht, dass sie sehr um sich selbst kreist).

Das End vom Lied

Lange Rede, kurzer Sinn: Das mit dem Sterben haben wir dann erst mal gelassen. Es wurde gemeinsam entschieden, dass man bis auf die Minimaldosis Aspirin zur Blutverdünnung keine Medikamente mehr gibt, denn ein guter Teil ihres Zustandes war auch für den Laien mit Grundkenntnissen in Biologie und Mathematik klar der Kombination aus Wassertablette, Blutdrucksenker und was weiß ich allem geschuldet gewesen, wie auch die Pflegeleitung einräumen musste.

So ging dann noch über ein halbes Jahr ins Land, bis meine Mutter mit fast 92 Jahren im Januar 2016 uns letztlich verlassen hat. In der ganzen Zeit hat sie bis auf das Morphinpflaster und Aspirin keine Medikamente mehr erhalten. In dieser Zeit hatte sie noch schöne Tage im Garten, konnte mit ihrem ersten Urenkel spielen, eine wirklich wertvolle Zeit.

Fazit

Die Standardmedikation aus allerlei Pillchen, die man heute fast allen alten Menschen routinemäßig verabreicht, hat massive Nebenwirkungen, die keiner ernsthaft diskutiert. Im Fall meiner Mutter darf man sogar noch weiter spekulieren: Bei einem Krankenhausaufenthalt einige Jahre zuvor wurde ihr dringend ans Herz gelegt, ihre Herzklappe ersetzen zu lassen. Da hatte sie aber die Größe zu sagen: "Do wird nix meh g'macht!", und aller Wahrscheinlichkeit nach hat sie das gerettet. Denn mit Ende 80 und Übergewicht eine Herzklappe zu ersetzen, wenn man nicht unmittelbar vom Tode bedroht ist, ist meines Erachtens ein Vabanquespiel.

Mein Schwiegervater

Mein Schwiegervater lebt momentan noch und ist heute 90 jahre alt.

Mein Schwiegervater hatte im Sommer 2015 einen Schlaganfall, bis dahin war er topfit gewesen. Dieser erste Schlaganfall bewirkte eine Aphasie, er konnte also nicht mehr lesen und hatte teils Schwierigkeiten bei der Wortfindung, ansonsten war er aber fit.

Standardmäßig wurde ihm dann natürlich ein Cocktail aus diversen Blutverdünnern, Betablockern usw. (wer es genau wissen will: Lisinopril, Metoprolol, Remergil Soltab, Plavix, Simvabeta und Pantoprazol) verschrieben.

Wir haben ihn regelmäßig besucht und eines Tages im Sommer 2016 machten wir einen Ausflug in den Naturagart-Park bei Ibbenbüren. Während wir so durch den Park schlendern, hat mein Schwiegervater plötzlich einen Blutfleck auf der hellen Hose - konnte sich aber nicht erinnern, sich irgendwo verletzt zu haben. Einige Zeit später hat er einen ähnlichen Fleck am Hemdsärmel - beide von innen, beide recht groß (ungefähr Handtellergröße).

Wir haben dann überlegt, womit das zusammen hängen könnte, und sind darauf gestoßen, dass er seit zwei oder drei Tagen Voltaren (also Diclophenac) nimmt, weil er wegen Schulterschmerzen beim Orthopäden gewesen war.

Heimgekommen, hat es mich ungefähr 15 Minuten gekostet, durch Recherche in Wikipedia herauszufinden, dass man Diclophenac nicht mit den bereits verschriebenen Wirkstoffen kombinieren darf! Nachdem das Mittel abgesetzt wurde, sind keine äußerlichen Blutungen mehr aufgetreten, allerdings hatte er im Jahr darauf  einen zweiten Schlaganfall - ob es da einen Zusammenhang gibt, ist nicht nachweisbar und letztlich eh nicht mehr zu ändern.

Nach dem zweiten Schlaganfall hat er eine ausgeprägte vaskuläre Demenz mit komplettem räumlichem Orientierungsverlust, seither ist er rund um die Uhr pflegebedürftig. Nach einer Odyssee durch geschlossene Psychiatrien und lausige Heime hat er jetzt zum Glück eine Heimat in einer Pflegewohngemeinschaft der Diakonie gefunden - den Umständen entsprechend das Beste, was ihm und uns passieren konnte.

Schlussfolgerungen oder neudeutsch: Lessons learned

Beide Erlebnisse zeigen aus erster Hand - das habe ich selbst erlebt, da kann mir keiner mit Verschwörungstheorien kommen - wie zweifelhaft der momentane Zustand unseres Gesundheitswesens ist.

In dieses Bild passt auch, dass zwar das deutsche Gesundheitswesen wohl so ziemlich das teuerste in Europa ist, die Lebenserwartung in Deutschland aber nicht an der Spitze steht, sondern im Mittelfeld (Deutschland: 80,7 Jahre, Schweiz 82,6 Jahre, Luxemburg 82,3 Jahre, Italien 82,2 Jahre, Schweden 82,1 Jahre, Italien 82,2 Jahre, Ungarn 75,9 Jahre, USA 79,8 Jahre).

Auch die Tatsache, dass in den letzten Jahren international versucht wird, immer mehr Menschen in die Situation einer behandlungsbedürftigen Erkrankung zu bringen, macht mich daran zweifeln, dass es den Akteuren dabei um die Verlängerung wertvoller Lebenszeit unserer Mitmenschen geht, zumindest nicht zuvorderst.

Vor dem Hintergrund der grassierenden Durchökonomisierung aller Lebensbereiche vermute ich eher, dass

  • der Einfluss der Pharmaindustrie auf die Politik erheblich ist, und zwar auch auf internationaler Ebene - dazu gehört auch die WHO, deren Finanzierung die Staaten in ein undurchsichtiges Geflecht von Privatleuten haben abgleiten lassen.
  • betriebswirtschaftlich betrachtet, kann diese Pharmaindustrie kein Interesse an gesunden Patienten haben. Daher auch das geringe Interesse an neuen Antibiotika - wenn diese Mittel funktionieren, ist der Patient in kurzer Zeit geheilt und braucht keine weiteren Medikamente
  • Blutdrucksenker, Cholesterinsenker, Psychopharmaka, Schmerzmittel und Chemotherapeutika - das sind wirklich zuverlässige Umsatzbringer, denn häufig nimmt man sie lebenslang

Natürlich sitzt hier kein böser alter Mann irgendwo ganz oben und steuert das alles, das zu glauben, überlassen wir der Aluhelm-Fraktion.

Aber dass wirtschaftliche Interessen internationaler Konzerne zunehmend die Politik vor sich hertreiben, ist doch offensichtlich. Wer das als Verschwörungstheorie abtut, hat entweder ein Interesse daran, dass das so bleibt, oder ist arg naiv.

Seien wir also im Umgang mit unserer Gesundheit pfleglich und mit unseren Ärzten vorsichtig. Eine Zweitmeinung kann da schon oft helfen, ebenso der Einsatz unseres Großhirns.

Links

Senkung der Blutdruck-Grenzwerte mach viele Amerikaner behandlungsbedürftig

Focus: Streit um Blutdruck-Grenzwerte

Herzstiftung, 2009: Bis 240 mg/dl tolerabel bei Gesunden (heute ist nur noch von 200 mg/dl die Rede, auch bei Gesunden)

Focus-Artikel über die neuen Grenzwerte

Und aus der alternativen Ecke: Dr Lico