Högis Cyberspace

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Irgendwann in den letzten Monaten habe ich mal zugestimmt, von der Frankfurter Rundschau (FR) im Browser Benachrichtigungen empfangen zu können.

Nun kenne ich die FR aus Jugendtagen als eher linksliberales Blatt, in den 80ern und wohl noch weit danach war diese Zeitung intellektuelle Feinkost. Nun fällt mir auf, dass sie sich zu einer Art Hetzblatt entwickelt hat, die derzeit am stärksten die Paniktrommel rührt. Jüngstes Beispiel:

„Failed State“ Schweden: Sogar die skandinavischen Nachbarn lassen Grenzen für die „Virusverbreiter“ zu

Da mag was dran sein, ich erinnere mich, dass die dänische Ministerpräsidentin als allererste beim Aufkommen der Krise von einer Impfpflicht geredet hat - ohne das weiter verfolgt zu haben, spricht das nicht gerade für abwägende Weitsicht.

Aber zu den Fakten:

Failed State?

Schaut man nach den allgegenwärtigen, meiner Ansicht nach weichen Zahlen (siehe "Anmerkungen" unten), ergibt sich für Schweden folgendes Bild:

Quelle: Här sprider sig det nya corona­viruset

Betrachtet man nur die Todesfallrate nach den eher harten Zahlen (siehe "Anmerkungen" unten) von Euromomo, sieht der Ländervergleich so aus:

Man kann sehr schön erkennen, dass der Lockdown (den hier nur Schweden nicht hatte) das Virus nicht wirklich interessiert hat. Da muss es ganz andere Faktoren geben, über die aber gerade nicht nachgedacht und schon gar nicht geredet werden soll. Deutschland sieht im übrigen etwa wie Dänemark aus, daher habe ich es weggelassen.

Man kann aber schön erkennen, dass die "Herdenimmunisierung-Strategie" Schwedens sichtbar wird - das Ganze verläuft weicher, weil sich das Virus langsam ausbreiten kann und offensichtlich - wie überall - nun zurückgeht. Diese Strategie war übrigens in den ersten Wochen des Jahres common sense, bis dann der von einem beispiellosen Propagandafeldzug begleitete Umschwung einsetzte. Es wird wahrscheinlich kommenden Generationen vorbehalten bleiben, diese Entwicklung zu analysieren - zu viel Porzellan ist zerschlagen worden, als dass wir kurzfristig mit einer ehrlichen Analyse rechnen dürfen.

Wir werden sehen, wie das mit der zweiten Welle laufen wird.

Zurück zum Thema: Während in Schweden über die nachvollziehbaren Jahre kaum eine Übersterblichkeit geherrscht hat, sind in den meisten europäischen Ländern in den letzten Jahren deutliche Grippewellen durch das Land gezogen, oft mit weit mehr Opfern als in diesem Jahr durch Corona. Daraus macht dann die Presse wieder

Höchste Sterberate in Schweden seit Jahren

(Quelle z.B. Südwestpresse)

Nun ja, das stimmt - allerdings haben wir Schweden in den Jahren dazwischen dauernd überholt. Ursache? Es könnte unter anderem an Karneval liegen, denn den feiern die Schweden kaum. Während wir und unsere Nachbarn mitten in der Erkältungszeit am ausgelassensten feiern, finden in Schweden die "Multi-Spreading-Events" an Mittsommer statt, wenn das Immunsystem des Menschen am besten gewappnet ist.

Nebenbei bemerkt: Die Lebenserwartung in Schweden liegt bei 82,1 Jahren, in Deutschland bei 80,7 Jahren.
Da sollten wir uns mit solchen Urteilen vielleicht zurückhalten?

Failed Press?

Wenn man sich nun fragt, warum die FR sich so geändert hat, merkt man: Es liegt am Konzentrationsprozess der Presselandschaft.

Die Frankfurter Rundschau hat früher mal einer Stiftung gehört, wanderte dann über eine SPD-eigene Medienholding, DuMont, eine Insolvenz usw. letztlich zur "Zeitungsholding Hessen" eines Herrn Dirk Ippen.

Damit ist sie bei einer der wenigen großen Familien angekommen, welche die deutsche Presselandschaft bestimmen. Ciao, FR. Ciao, Meinungsvielfalt.

So geht "Failed State", finde ich.

Anmerkungen

  • Warum "weiche Zahlen": Die offiziellen Zahlen zu Corona-Fällen und Todesfällen hängen extrem von der Test-Strategie des jeweiligen Landes ab, damit ist eine internationale Vergleichbarkeit nur bedingt gegeben. Siehe auch Corona und der Tod.
  • Warum "harte Zahlen": Todesfallstatistiken gehen über die Meldeämter. In Europa kann man davon ausgehen, dass kaum ein Todesfall an den offiziellen Meldeämtern vorbeigeht. Ich glaube nicht, dass in nennenswertem Umfang z.B. Verstorbene in Tiefkühltruhen ruhen, damit man deren Rente weiter kassieren kann. Damit sind diese Zahlen ziemlich eindeutig, sagen aber natürlich nichts über die jeweiligen Todesursachen - das ergibt sich aus der zeitlichen Betrachtung.